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POMERANZ COLLECTION

MARINA ABRAMOVIC & ULAY

AAA-AAA (Performance RTB, Lüttich)
1977
Silbergelatineabzug, montiert auf Aludibond, Holzrahmen/Graphitrahmen
110 x 150 cm
Edition 1/2 A.P.
Inv. Nr. 109
Foto: © VBK, Wien, 2011

Geboren 1946 in Belgrad, Ex-Jugoslawien bzw. 1943 in Solingen, Deutschland
Leben und arbeiten in New York City, New York, USA bzw.
in Amsterdam, Niederlande

Marina Abramovic und Ulay (Frank Uwe Laysiepen) arbeiteten und lebten von 1976 bis 1988 zusammen. Das Paar markierte seine Trennung mit der berühmten Aktion Great Wall Walk in China. Abramovic und Ulay machten sich in ihren Performances und Aktionen, dem sogenannten Relation Work, selbst zum Thema und erkundeten dabei physische und psychische Grenzen sowie die geschlechtsspezifische Rollenverteilung. 1975 umschrieben die Künstler ihr Projekt wie folgt: „Vitale Kunst, kein fester Wohnsitz, permanente Bewegung, direkter Kontakt, lokaler Bezug, Selbst-Auswahl, Grenzüberschreitung, Risikobereitschaft, bewegliche Energie, keine Probe, kein vorhergesagtes Ende, keine Wiederholung.“ Bei Abramovic und Ulay verwischte sich die Grenze zwischen Kunst und Leben, und nicht selten gehörte es zu ihrem künstlerischen Konzept, sich realen Gefahren auszusetzen.

Die Schwarz-Weiß-Fotografie AAA-AAA zeigt Abramovic und Ulay als Halbfiguren. Sie entstand während einer publikumsfreien, vom Fernsehen übertragenen Studioperformance in Lüttich, in deren Verlauf sich die Künstler anschrien. Die Performance war eine Weiterentwicklung von Freeing the Voice (Abramovic, 1976), bei der sich Abramovic heiser geschrien hatte. Während es dort aber vorwiegend um einen Reinigungsprozess von Körper und Geist gegangen war, fokussiert AAA-AAA auf die Beziehung zwischen zwei Liebenden, deren Verhalten sich zunächst gleicht, die jedoch zunehmend versuchen, einander zu überbieten. Wie andere Aktionen auch wurde die Performance ein Jahr später in Amsterdam wiederholt und von Louis van Gasteren zu Dokumentationszwecken gefilmt.

Die Performance Relation in Time, die im Studio G7 im italienischen Bologna stattfand, ist Teil der Performancereihe That Self, die aus der Interaktion von männlicher und weiblicher Energie eine neue Daseinsform entstehen lässt. Abramovic und Ulay saßen Rücken an Rücken, an den Haaren aneinandergebunden, und verbrachten gemeinsam 16 Stunden, alleine und schweigend. Während der letzten Stunde waren Besucher zugelassen. John Cage, dessen Werk Ulay und Abramovic stark beeinflusste, bezeichnete solche Ansätze als „Aktivität in der Inaktivität“. Die Performance stellte hohe körperliche und psychische Anforderungen an die Künstler, die damit nach Harmonie zwischen Körper und Geist sowie dem Gleichgewicht der Geschlechter strebten; sie befragt das Konzept der Polarität und lässt im Idealfall ein androgynes Wesen entstehen.

Breathing in / Breathing out setzt die Befragung von Dualität fort. Bei der Performance, die im April 1977 in Belgrad aufgezeichnet wurde, hängen Ulay und Abramovic – und damit ihr Überleben – für die Dauer von fast zwanzig Minuten buchstäblich voneinander ab. Die Münder aneinandergepresst, tauschten sie ihren Atem aus, die einzige Sauerstoffquelle, bis die Künstler kollabierten. Sinnbildlich geht es hier um den Tod des Selbst, der bei jeder Form von Zusammenarbeit potenziell droht. Die Aktion war der symbolische Versuch, sich bis an den Punkt gegenseitiger Vernichtung mit dem Leben des jeweils anderen zu verbinden.

Rest Energy, aufgenommen 1980 im Filmstudio Amsterdam, gehört ebenfalls zur Serie That Self und demonstriert das grundlegende Zugeständnis, dass eine Performance, die die Grenzen des Körpers auslotet, zum Tode führen kann. Abramovic und Ulay stehen einander in einer spannungsvollen Situation gegenüber, sie umfasst mit der Hand die Mitte eines großen Bogens, er spannt die Sehne und hält den Pfeil, dessen Spitze auf Abramovics Herz gerichtet ist. Mikrofone an der Kleidung der Künstler gaben deren beschleunigten Herzschlag und unregelmäßige Atmung wieder. Nach vier Minuten ließen Abramovic und Ulay den Bogen fallen.

Nightsea Crossing ist eine Serie von zweiundzwanzig Performances, die zwischen 1981 und 1987 in verschiedenen Städten, in Museen oder unter freiem Himmel, stattfanden. Der Schauplatz, das Datum, die Farbe der Kleidung variierten, nur die Requisiten blieben gleich, ein Mahagonitisch und zwei Stühle. Die Künstler umschrieben die Performance wie folgt: „Nightsea Crossing ist ein episches Werk von 90 Tagen Dauer, mit einer Periode der absoluten Stille und des Fastens vor und während der Performance. Die Performance besteht aus sieben Stunden täglicher Konzentration, während der wir bewegungslos in einem Zustand vollkommener Ruhe verharren.“ Abramovic und Ulay saßen sich dabei an dem Tisch gegenüber, seitlich zum Publikum. Die Künstler spielten mit dem Gegensatz von Leben und Reglosigkeit, um eine Sensibilität dafür zu schaffen, dass das Bewusstsein auch dann noch aktiv ist, wenn der Körper scheinbar zur Architektur wird. Abramovic gilt die Performance als Stillleben, als „stilles Leben“, während Ulays Hauptinteresse in der Bewegungslosigkeit liegt.

Modus Vivendi ist der Titel einer Reihe von Performances, Videos und Polaroids aus den frühen Achtzigerjahren und folgt auf Relation Work. Obwohl die Künstler auch hier ihre Körper zum Material ihrer Kunst machen, konzentrierten sie sich stärker auf Metaphorik und Theatralität und erforschen Alltagsrituale. Um das ungewöhnlich große Format der Fotografien zu erreichen, kam den Künstlern Edwin Herbert Land, der Erfinder der Polaroid-Technik, zu Hilfe, der Schauplatz der Performances musste in eine Lochkamera verwandelt werden. Hier wurden die Experimente der Künstler mit Bewegungslosigkeit zu einem vom fotografischen Medium auferlegten Modus Operandi.